Erster Adventssonntag | Gedanken von Frère Matthew
Zu Beginn der Adventszeit sind wir eingeladen, uns auf das Fest der Geburt Jesu vorzubereiten. Doch das heutige Evangelium erwähnt nichts von dem, was wir normalerweise mit Weihnachten verbinden.
Jesus spricht stattdessen über sein Kommen am Ende der Zeiten. Er zeichnet das Bild einer Welt in großer Verwirrung und Unruhe. Die Menschheit und die gesamte Schöpfung drohen auseinanderzubrechen. Keine Macht, weder irdisch noch himmlisch, kann diese Tragödie überwinden. Es herrscht ein Gefühl der Hoffnungs- und völligen Hilflosigkeit.
Und doch gibt es inmitten dieser universellen Erschütterungen eine Botschaft der Hoffnung. Die Worte Jesu sind in erster Linie keine Ankündigung zukünftiger Ereignisse, sondern ein klarer Blick auf die Welt, so wie sie ist. Und sein Blick geht so tief, dass er in diesen Ereignissen eine unerhörte Neuheit sieht. Gott ist treu und schafft immer wieder Neues.
„Man wird den Menschensohn kommen sehen auf einer Wolke mit großer Macht und Herrlichkeit.“ Der rätselhafte Titel „Menschensohn“, den Jesus immer wieder für sich gebraucht, stammt aus einer Vision im Buch Daniel von einem Menschen, der so sehr mit Gott vereint ist, dass er an dessen Macht und Herrlichkeit teilhat. Es ist das Heil Gottes, das Jesus bringt. Auch wenn alles drunter und drüber geht, lässt Gott seine Geschöpfe, die er liebt, nicht im Stich.
Die Worte Jesu sind eine Ermutigung für uns heute. Angesichts der Komplexität des Lebens und der Welt ruft er uns auf, dem, was wir vom Evangelium verstanden haben, und dem Engagement, das wir um Christi willen eingegangen sind, treu zu bleiben. Aus dieser Treue erwächst etwas Unerwartetes. Der Feigenbaum treibt aus. Die Worte Jesu werden nicht vergehen.
Jesus gibt zwei Ratschläge. Der erste: „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung naht.“ Lassen wir uns nicht unterkriegen oder entmutigen! Wagen wir es, wirklich zu leben, bereiten wir uns darauf vor, die Verheißung Gottes in Dankbarkeit anzunehmen. Christus kommt.
Und der zweite Ratschlag lautet: „ Wacht und betet zu jeder Zeit.“ Wie ist das gemeint? – Es gibt Momente, in denen wir von etwas völlig ergriffen sind: von der Schönheit einer Landschaft, wenn wir jemandem zuhören, der überzeugend über ein Thema spricht, das uns fesselt.
Aber auch ganz einfache Dinge können unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen: ein Lächeln, eine unerwartete Geste der Güte. Diese Momente des Ergriffenseins, der Resonanz und sogar der Gemeinschaft können zu einer Form des Gebets werden.
Wenn unsere ganze Aufmerksamkeit auf Jesus gerichtet ist, der uns liebt und der kommen wird, dann bleiben wir wach. Ihn im Gebet zu erwarten, gibt uns die Kraft, vor dem Menschensohn zu stehen und uns den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen.
Es gibt keinen anderen Weg. Christus ist nichts als Treue und Neuheit. Wagen wir es, uns ihm ohne Furcht zuzuwenden und uns auf sein Kommen zu freuen: Maranatha, komm Jesus, komm!
Zweiter Adventssonntag | Betrachtung von Frère Raymon
Wie schon am vergangenen Sonntag wird auch im heutigen Sonntagsevangelium nichts erwähnt, was man mit Weihnachten in Verbindung bringen würde. Dafür gibt es einen Grund. Wir befinden uns im Advent. Das Wort „Advent“ stammt vom lateinischen „adventus“ (was „kommen“ bedeutet) und übersetzt das griechische Wort „parousia“ aus dem Neuen Testament. Dieses griechische Wort bezeichnet das zweite Kommen Jesu Christi am Ende der Zeiten. Obwohl „ Parusie“ wie ein abstraktes Konzept erscheinen mag, ist sie zutiefst mit unserem täglichen Leben als Christen verbunden und ruft uns dazu auf, in ständiger Vorbereitung, mit Hoffnung und Umkehr zu leben. In diesem Sinn besteht Weihnachten nicht nur darin, der Geburt Jesu in Bethlehem zu gedenken, sondern vor allem darin, das Kommen Christi in die Welt zu feiern. Das Kommen Christi bedeutet auch das Kommen des Reiches Gottes. Erinnern wir uns an die Worte des Apostels Paulus: „Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist“, sodass wir beten: „Dein Reich komme.“
Im 3. Kapitel des Lukasevangeliums werden die wichtigsten Führer Galiläas und Judäas zu dieser Zeit aufgeführt. Diese Personen waren weit mehr als nur historische Figuren. Für den zeitgenössischen Leser des Lukasevangeliums spiegeln sie die besondere sozio-historische Situation der damaligen Zeit wider. Sie stellen den Kontext der Macht, der Bedrohung und der Instabilität dar. In diesem Kontext spricht Gott sein Wort und kündigt das Kommen des verheißenen Königs an: nicht ein König, der mit Macht regiert, sondern ein „Friedensfürst“, der Gerechtigkeit stiften wird.
Denn Gott bringt das Heil nicht auf abstrakte oder theoretische Weise, sondern durch konkrete Ereignisse, durch konkrete Personen an historischen Orten. Um Weihnachten auf sinnvolle Weise zu feiern, müssen wir auf die Situation der heutigen Welt schauen. Deshalb gefällt mir die Dekoration, welche die jungen Brüder bei uns im Haus vorbereitet haben. Sie erinnert an die Situation in der Ukraine, in Syrien, im Libanon, in Israel und Palästina, in Myanmar, Nicaragua, im Sudan ...
Es besteht ein großer Kontrast zwischen der Macht der hier genannten römischen Herrscher und der Verletzlichkeit des Johannes, dem Sohn von Zacharias. Während berühmte Männer Machtpositionen einnehmen, erreicht das Wort Gottes Johannes, der in der Wüste lebt (Lukas 3,2; Lukas 1,80). Dies zeigt, wie Gott oft durch Menschen handelt, die von der Welt abgelehnt werden. Selbst wenn wir kein soziales oder politisches Kapital besitzen, können wir Christus, der einen neuen Himmel und eine neue Erde errichten wird, den Weg bereiten. Ja, jeder kann durch kleine und gewöhnliche Schritte dazu beitragen, Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen.
Johannes tritt in der Wüste am Ufer des Jordans auf. Dort verkündet er eine Taufe der Umkehr. Beide Orte waren stark mit der Geschichte des Exodus, der Befreiung aus der Sklaverei, der Durchquerung der Wüste und der Überquerung des Jordans in das verheißene Land verbunden. Gleichzeitig spricht die prophetische Tradition von der Wüste oft als einem Ort, an dem Israel Gott zum ersten Mal begegnete und ihm treu antwortete (Hosea 2,14; Jeremia 2,2-3). Die Wüste wird also zu einem Ort der Bekehrung.
Die Bekehrung ist mehr als ein Ritus. Sie ist die Vorbereitungsarbeit des Volkes. Hier ist die Bekehrung, die Umkehr, der Weg zu Gott Teil der Vorbereitung auf das Kommen Gottes. Sie ermöglicht, dass Gottes Wille in jeder und jedem von uns getan noch mehr wird. Für einige von uns kann dies zu einem kritischen Moment bei Entscheidungen im Leben werden, sodass wir uns fragen: ‚Wie können wir das Kommen des Reiches Gottes vorwegnehmen?‘ Das bedeutet, dass wir unsere Einstellung ändern und uns dem Handeln Gottes in der Welt öffnen müssen.
Wenn wir also auf den Ruf des Johannes antworten, tun wir weit mehr als nur passiv zu warten. Wir werden zu Friedenstiftern und zu Menschen der Versöhnung im Namen des „Friedensfürsten“. Wir werden zum „Weg des Herrn“, auf dem „jedes Lebewesen das Heil Gottes sehen wird“.
Dritter Adventssonntag | Betrachtung von Sr. Muriel
Was sollen wir tun? – Mir fällt eine Entwicklung in den Antworten von Johannes dem Täufer auf. Seine Kleidung teilen: Gut, ich will einen Mantel geben, ich habe ja zwei, das geht noch. Aber zu den Steuereintreibern zu sagen: „Nichts mehr als das, was für euch festgelegt ist!“ Das ist sehr gewagt! Denn wenn der Job nicht mehr lukrativ ist, wozu dann das Ganze? Und außerdem: Wovon sollen wir leben? Wie soll man das verstehen?
Und noch heftiger ist es, Soldaten zu sagen: Keine Gewalt anwenden, weder in Worten noch in Taten. Aber Gewalt ist für einen Soldaten fast eine Notwendigkeit! Keine Gewalt mehr: Was bedeutet das für einen Soldaten? Was bleibt vom Beruf übrig? Wie soll es weitergehen?
Es ist, als ob der Täufer sie auffordern würde, sich auf den Kopf zu stellen! Das können sie aber nicht! Es ist eine Kehrtwende, eine Umkehr um 180°. Kurz gesagt: eine Bekehrung!
Johannes der Täufer sprach übrigens letzten Sonntag von Bekehrung ... Aber eine Bekehrung kann nicht „klein“, eingeschränkt sein: Per Definition nimmt eine Bekehrung das ganze Wesen in Anspruch, nicht nur die Oberfläche der Dinge, der Aktivitäten, der Beziehungen usw. Sie betrifft das Innerste des Menschen, den wahren Kern.
Diese kraftvollen Worte des Johannes fesseln das Volk: Das Volk war in Erwartung, es will mehr. Aber was will es? Weitere mehr oder weniger unmögliche, unerreichbare Worte? Oder wartet es auf eine Art „Gebrauchsanweisung“, um zu wissen, wie man das tun kann, was der Täufer sagt und was ein bisschen verrückt klingt?
Und siehe da, Johannes kündigt nicht irgendetwas an, er kündigt jemanden an, einen Größeren, einen Stärkeren, und das ist die Gute Nachricht, das heißt, das Neue: Dieser wird mit Geist und mit Feuer taufen.
Vielleicht ist das die „Gebrauchsanweisung“: Bekehrung ist nicht nur ein Tun, sondern auch ein Empfangen, ein „Entgegennehmen“: des Geistes, dieser Gegenwart Gottes, der uns „vertrauter ist als wir uns selbst“, ein Feuer, das in uns das verbrennt, was nicht an ihn angepasst ist, unsere inneren Widersprüche, unser Egoismus, unsere Angst, unsere Flucht, unser mangelndes Vertrauen, unser fehlender Glaube usw. Wir müssen uns auf den Geist besinnen, der in uns wohnt. Die Gegenwart des Herrn, der selbst in uns wohnen will. Ist das nicht etwas ganz Außergewöhnliches?
Tatsächlich ist es das, was bereits der Prophet Zefanja dem Volk Israel ankündigte: Der Herr ist in deiner Mitte. Manche übersetzen: „in deinem Inneren“; dann kann man verstehen, dass es nicht nur Gott inmitten seines Volkes ist, genauso wie die Brüder hier, inmitten der Versammlung, sondern auch Gott inmitten von jedem und jeder von uns, Gott, der in der Tiefe, im Herzen, in unserem Innersten gegenwärtig ist!
Und hier begegnen sich der Prophet und der Täufer: Daran erkennen wir, dass der Herr dir und jedem von uns vergeben hat – es ist vollbracht! So erneuert er sein Volk und auch jeden Einzelnen: Er zeigt seine Liebe zu jedem Menschen, immer und immer wieder, mitten in den Fehlschlägen und Ausrutschern, um mit ihm schöpferisch zu werden und Kleidung, Essen und Arbeit zu teilen, und vielleicht sogar, um einen Kopfstand zu machen!
Und Zefanja fügt hinzu, dass Gottes Freude darin besteht, jeden Menschen zu erneuern, so dass er jubelt, in manchen Übersetzungen sogar vor Freude über dich tanzt: Kannst du dir vorstellen, dass Gott vor Freude über dich tanzt? Weil ihr ihn in eurem Innersten, in eurem tiefsten Inneren aufnehmt, weil ihr seine Freude, seine Neuheit annehmt? So wird sich seine geteilte Freude über die Welt verbreiten ... Und das ist vielleicht das Reich Gottes!
Vierter Adventssonntag | Gedanken von Frère Ulrich
In der Vorweihnachtszeit sprechen die Lesungen des Evangeliums oft von Johannes dem Täufer. Seine Geschichte und die Geschichte Jesu, des Messias, verlaufen parallel zueinander. Wir haben heute gehört, wie sich die beiden Mütter vor der Geburt ihrer Söhne begegnen. Elisabeth, die zukünftige Mutter von Johannes dem Täufer, die eigentlich zu alt ist, um ein Kind zu bekommen, ist in freudiger Erwartung, da sie „von der Schande befreit“ ist, wie sie es ausdrückt. Wenn hingegen für die Gesellschaft auch Marias Situation eine Schande darstellt, weil sie zu jung ist, um schwanger zu sein, und noch nicht einmal „einen Mann gekannt“ hat, bestätigt Elisabeths Gruß ihr, dass sie eine besondere göttliche Gnade empfangen hat.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die außergewöhnliche Begegnung dieser beiden Frauen nicht der Beginn einer Freundschaft war, die ihre Söhne fortsetzten: Jesus und Johannes haben später vermutlich öfter miteinander gesprochen und vielleicht haben sie als Jugendliche einander begleitet.
Doch in einem bestimmten Moment trennten sich ihre Wege: Johannes der Täufer nimmt einen strengen und asketischen Lebensstil an, trifft eine radikale Entscheidung und zieht in die Wüste. Für diejenigen, die ihn sehen und mit ihm sprechen wollen, bedeutet dies eine Anstrengung. Im Gegenzug erhalten sie von ihm klare Unterweisungen, auf das Leben jedes Einzelnen zugeschnitten. Am vergangenen Sonntag haben wir mehrere Beispiele dafür gehört. Darüber hinaus zögert Johannes nicht, sogar den König wegen dessen unmoralischen Verhaltens öffentlich zu tadeln, was ihm schließlich den Tod einbringt.
In dieser Radikalität folgt ihm Jesus nicht, zumindest wird dies im Evangelium nicht erwähnt. Zunächst bleibt Jesus scheinbar passiv. Als er schließlich Johannes in der Wüste aufsucht, um sich ebenfalls taufen zu lassen, ertönt eine „Stimme vom Himmel“, die sagt: „Du bist mein geliebter Sohn; in dir habe ich meine Freude.“ – Aber diese Stimme ist an Jesus gerichtet! An Stelle von Johannes, der sein Leben auf so unvergleichliche Weise hingegeben hat, hätten andere diese Worte vom Himmel wie einen Schlag ins Gesicht empfunden.
Gott geht über alles hinaus. Er übersteigt, was wir uns auch nur vorstellen können und könnte uns leicht erdrücken. Das Evangelium möchte uns zu sagen, dass in Jesus Gott auf die Erde kommt, in großer Diskretion und ohne sich aufzudrängen. Deshalb frage ich mich in diesem Zusammenhang: Enthält das Leben von Johannes dem Täufer nicht eine versteckte Botschaft? Das Evangelium schildert es uns mit vielen Details, um uns eines klar zu machen: Die Radikalität des Lebens Jesu ist eine völlig andere!